Die Stimmen aus dem Startup-Ökosystem zur Novellierung des Gesellschafts- und Steuerrechts wurden gehört. Die zwei aktuell vorliegenden Gesetzesentwürfe tragen weitgehend den Forderungen nach einer speziellen Gesellschaftsform für Startups, der „FlexCo“, sowie nach Steuervorteilen für Mitarbeiterbeteiligungen Rechnung. Fact or fake? – was steckt tatsächlich hinter den Entwürfen?

Entbürokratisierung, Flexibilität, internationale Wettbewerbsfähigkeit, Begünstigung von Mitarbeiterbeteiligungen und Anreize für privates Risikokapital – das sind die wesentlichen Punkte aus dem Regierungsprogramm 2020-2024. Im Entwurf zum Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 2023 soll die Basis für eine hybride Gesellschaftsform, die „Flexible Company“ (oder kurz „FlexCo“), die das Beste aus der Welt der GmbHs und der AGs vereint, bilden. Und was macht das Beste aus beiden Welten nun aus?

Neu: Stimmrechtslose Unternehmenswert-Anteile
Was bisher nur bei AGs möglich war, soll künftig auch bei FlexCos ähnlich gelten. Durch die Schaffung einer zweiten Anteilsklasse können damit stimmrechtslose Unternehmenswert-Anteile ausgegeben werden. Diese Anteilsklasse soll zukünftig die Beteiligung von Mitarbeiter:innen mit maximal 25% am Stammkapital leichter und flexibler möglich machen. Ziel des Gesetzgebers ist es, mittels Unternehmenswert-Anteilen Mitarbeiter:innen zukünftig am Gewinn, Verkaufs- und Liquidationserlös des Startups steuerbegünstigt teilhaben zu lassen und sie damit länger an Startups binden zu können. In dem Zusammenhang sieht der Gesetzesentwurf flankierend auch Informations-, Einsichts-, Auskunfts- und Fragerechte zugunsten der Unternehmenswert-Anteilsinhaber vor und lockert die Formerfordernisse durch ein Schriftlichkeitsgebot. So reicht etwa eine einfache handschriftliche Unterschrift oder qualifizierte e-Signatur für die Übertragung solcher Anteile, das ist deutlich formloser als die Übertragung von „normalen“ Geschäftsanteilen, für die weiterhin die Involvierung eines Notars oder neuerdings eines Rechtsanwalts erforderlich ist.

Neu: Senkung des regulären Stammkapitals
Zukünftig soll auch das reguläre Mindest-Stammkapital auf EUR 10.000 abgesenkt werden und das Erfordernis einer befristeten Gründungsprivilegierung entfallen, wodurch Österreich im EU-Vergleich ins Mittelfeld bei den Anforderungen zur Mindestkapitalaufbringung aufsteigen wird. Im Detail enthält der Gesetzesentwurf noch eine Vielzahl weiterer positiver Maßnahmen, die zwar nicht zum gewünschten Grad der Entbürokratisierung führen, aber insgesamt betrachtet einen Schritt in die richtige Richtung bedeuten.

Neu: Steuerbegünstigungen für Mitarbeiterbeteiligungen
Im Entwurf zum Start-Up-Förderungsgesetz ist vor allem die sogenannte „Dry Income“-Problematik durch den Besteuerungsaufschub des geldwerten Vorteils bis zum Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses (z.B. in Form eines Veräußerungserlöses beim Exit) gelöst. Weiters sind eine reduzierte Besteuerung sowie eine Begünstigung bei Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnnebenkosten vorgesehen. Demnach werden 75% der Bemessungsgrundlage mit nur 27,5% und 25% der Bemessungsgrundlage zum Lohnsteuertarif besteuert. Allerdings hat diese Regelung einen Pferdefuß. Der begünstigte Steuersatz kommt nur dann zur Anwendung, wenn das Dienstverhältnis zumindest drei Jahre angedauert hat und die Mitarbeiterbeteiligung für mindestens fünf Jahre gehalten wurde. Diese Voraussetzungen unterstreichen die Intention des Gesetzgebers, die Mitarbeiterbindung zu stärken. Sofern Unternehmensanteile an Mitarbeiter:innen nicht gleich verteilt werden, muss eine eventuelles Ungleichgewicht sachlich begründet werden (zB durch fachliche Kompetenz).

Hürden im Detail
Insgesamt sind die Regelungen zur steuerlichen Begünstigung von Mitarbeiterbeteiligungen komplexer ausgefallen als erhofft. Mitarbeiter:innen sollten daher bei Erhalt derartiger Mitarbeiterbeteiligungen eigenständig prüfen, ob eine Anwendbarkeit der Steuerbegünstigung im Zeitpunkt des Erhalts und der Veräußerung gegeben ist, um gravierenden Überraschungen vom Finanzamt vorbeugen zu können.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die Voraussetzungen für das Vorliegen einer für die Steuerbegünstigung relevanten „Mitarbeiterbeteiligung“, da eine solche unter anderem nur von einem Unternehmen ausgegeben werden kann, das seit der Gründung nicht älter als 10 Jahre ist, weniger als 100 Mitarbeiter:innen im Jahresdurchschnitt beschäftigt, und weniger als EUR 40 Mio. Jahresumsatzerlöse erzielt hat. Insbesondere aufgrund dieser Größenmerkmale kann es bei Scale-Ups rasch dazu führen, dass Mitarbeiter:innen keine steuerbegünstigten Beteiligungen erhalten können. Zusätzlich wird älteren Startups und KMUs die Möglichkeit genommen, Mitarbeiter:innen eine steuerbegünstigte Beteiligung zu gewähren.

Ambitioniert, aber ausbaufähig
Die beiden Gesetzesentwürfe entsprechen weitgehend den langjährigen Forderungen der Startups-Szene. Eine vollständige Entbürokratisierung wurde dabei jedoch nicht erreicht, da insbesondere der Gründungsprozess unverändert bleibt und auch die Kommunikation mit den Firmenbuchgerichten weiterhin in deutscher Sprache zu führen ist, da Englisch (noch) nicht als Amtssprache anerkannt ist. Zweisprachige Verträge werden somit auch zukünftig ein häufiges Erfordernis bilden. Weiters sind gerade die Voraussetzungen für Steuerbegünstigungen bei Mitarbeiterbeteiligungen komplex ausgefallen und schaffen unsachliche Differenzierungen zu „älteren“ Startups sowie KMUs. Schlussendlich fehlen bislang auch Anreize für privates Risikokapital, um auch investorenseitig im internationalen Vergleich kompetitiver zu werden. Das wurde zwar im Regierungsprogramm 2020-2024 angekündigt, aber hier fehlen noch konkrete Maßnahmen.

Über den Autor
Philip Rosenauer ist Partner bei PHH Rechtsanwält:innen und leitet die Praxisgruppe zu Startup- und Investorenberatung. Seine Expertise liegt in der Beratung von Jungunternehmern, Startups und Investoren hinsichtlich des gesamten Prozesses der Unternehmensentwicklung und Unternehmensfinanzierung. Zudem betreut er nationale und internationale Mandanten bei Fragen rund um M&A, Unternehmens- und Gesellschaftsrecht sowie Kapitalmarktrecht. Als Capital Market Coach ist er zugelassener Berater für Emittenten im direct market plus der Wiener Börse.